von Ulf Lübs
Die Guts- und Domänenpächter im Mecklenburg des Betrachtungszeitraumes genossen ein hohes Ansehen, waren die Pachtbedingungen doch so hoch angelegt, dass nur finanzkräftige Adlige oder Bürger sich eine Gutshofpacht, die auf meist zwanzig Jahre ausgelegt war, leisten konnten. Im Gegenzug waren die Mecklenburger Güter durch ihre Größe und potenzielle Ertragskraft sehr begehrt.
In der Hierarchie nach den Gutspächtern kamen die Erbpächter. Erbpachtverträge schloss der Landesherr bis Ende des 19. Jahrhunderts in der Regel nur mit wertvollen Spezialisten, wie Müller, Schmiede oder Krüger ab, die seinerzeit eher als Bauern angesehen wurden, denn als Handwerker.
Hüfner oder Hauswirte wurden die bäuerlichen Zeitpächter genannt, die nach ihrer Hofgröße klassifiziert wurden. Als Vollbauern bewirtschafteten diese Höfe vom Umfang einer Bauernhufe, die als Referenzmaß etwa 105 ha Land umfasste. Davon abgeleitet wurden die Siebenachtelhüfner, Dreiviertelhüfner, Zweidrittelhüfner, Halb- und Viertelhüfner. Wenn heute die Rede von alten Bauernhöfen ist, sind meist diese Betriebe gemeint. Bauernhöfe wurden in Mecklenburg erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts, bei guter Bewirtschaftung, in Erbpacht gegeben, um die guten Bauern an die Scholle zu binden.
Die Hauswirte im Domanium waren im Regelfall bis Anfang des 19. Jahrhunderts, wie fast alle Bewohner desselben, Leibeigene des jeweils herrschenden Mecklenburger Herzogs. Sie wurden von seinen Beamten auf den Höfen eingesetzt und konnten von diesen auch jederzeit abberufen werden. Wenn in den Texten von Hoferben die Rede ist, bedeutet dies kein Erbrecht im juristischen Sinne, sondern eine Erbfolge die vom Wohlwollen der Domanialverwaltung abhing. Dass die Bewirtschaftung der Hufen meist in Familienhand blieb ist dabei nur scheinbar ein Widerspruch, denn zum einen war das Herrschaftshaus auf die fachgerechte und engagierte Bewirtschaftung seiner Ländereien angewiesen. Zum anderen waren die Herren über die Leibeigenen in der Fürsorgepflicht für diese. Von daher war die Praxis, die langfristige Bewirtschaftung der Hufen durch eine, wenn man so will, Pseudoerbfolge zu regeln, der gangbarste Weg.
Für die Hauswirte änderte die Aufhebung der Leibeigenschaft an den Grundlagen der Hofbewirtschaftung zunächst wenig. Die Produktionsmittel gehörten nach wie vor dem Herrschaftshaus und die Hauswirte bewirtschafteten die Höfe auf der Basis von Zeitpachtverträgen. Erst mit der einsetzenden Vererbpachtung zum Ende des 19. Jahrhunderts bekamen die Hauswirte Eigentumsrechte an den Hufen und damit Rechtssicherheit. Das Herzoghaus verzichtete auf die dinglichen Rechte an den Hufen zugunsten von geldlichen Rechten, in Form des Kanonkapitals. Das lastete fortan auf den Bauernhöfen und brachte dem Herzoghaus Zinseinnahmen ein. In der Differenz des Zeitwertes des Hofes zum Kanonkapitals lag das persönliche Vermögen der Bauernfamilie. Nach der Erlangung des Hofeigentums sprach man nicht mehr von Hauswirten, sondern der Begriff Bauer etablierte sich.
Büdner oder Colonisten, die man heute als Nebenerwerbslandwirte bezeichnen würde, erhielten Land, Vieh und Saatgetreide in Erbpacht. Zentrales Charakteristikum des Büdners war das Gebäudeeigentum. Land und Vieh blieben vorerst Eigentum der Landesherren, wobei die Pachtdauer von zwanzig Jahren zu Beginn des 19. Jahrhunderts den Büdnern durchaus eigentumsähnliche Besitzverhältnisse verschaffte. Diese – wirtschaftspolitisch gesehene – Übergangslösung konnte ihre bis ins 20. Jahrhundert reichende Bedeutung nur in einem armen Agrarland wie Mecklenburg entfalten. Der Büdner war, volkstümlich ausgedrückt, nicht Fisch noch Fleisch. Einerseits Land- und Viehpächter, was aber bei einer Ackerfläche von zwei bis vier Hektar, zum Leben meist nicht reichte, andererseits Lohnarbeiter, Handwerker oder kleiner Beamter, was für sich alleine auch nicht zu Wohlstand führte. In anderen Ländern Deutschlands führte eine deutlich besser prosperierende Wirtschaft dazu, das ein Teil der Büdner ihre landwirtschaftlichen Aktivitäten reduzierte oder ganz einstellte, weil Lohnarbeit mittlerweile lukrativer wurde. Andere Büdner mauserten sich zu Vollerwerbsbauern, indem sie die freigewordenen Flächen zupachteten oder kauften. Diese Entwicklung fand in Mecklenburg nur recht zögerlich statt.
Die bäuerlichen Erbpächter, waren eine Klasse die, wenn man so will, in der Entwicklung von leibeigenen zu freien Bauern eine Zwischenlösung darstellte. Die ehemals leibeigenen Bauern hatten natürlich kein Kapital, um sich eine Bauernstelle zu pachten, geschweige denn diese zu kaufen. Auf der anderen Seite waren die Landesherren auf die Bauern zur fachgerechten Erledigung der landwirtschaftlichen Arbeiten angewiesen, und mussten diesen eine Perspektive bieten um eine massive Abwanderung zu verhindern. Die Geschichte zeigt, das gerade diese Perspektive unter der Herrschaft vieler sehr kurzsichtiger Souveräne nicht gegeben war, und sich die Landwirtschaft in deren Herrschaftsbereichen nur sehr schwerfällig entwickelte. Die Verpachtung von Bauernstellen auf lange Sicht (anfänglich zwanzig Jahre) mit der Option, diese in die eigene Erbfolge (daher der Begriff Erbpacht) aufzunehmen und die Pacht schrittweise, durch herauskaufen, in Eigentum zu überführen stellte einen gangbaren Weg sowohl für die Erbpächter, als auch für die Landesherren dar. Was sich in der Theorie so schlüssig anhört, bot in der Praxis genügend Raum für ein breites Spektrum an Problemen, Hindernissen, und interessante, bücherfüllende Einzelschicksale.
Die zahlenmäßig größte gesellschaftliche Gruppe stellten die Tagelöhner, die als Häusler oder Einlieger ohne persönlichen Besitz, gezwungen waren, ihren Lebensunterhalt durch Lohnarbeit zu verdienen. Dabei waren die Tagelöhner mit einer Festanstellung auf den Gütern und größeren Bauernhöfen noch vergleichsweise gut dran. Ihnen wurde in der Regel eine Wohnung mit Nebengelass und Garten zur Eigenbedarfsproduktion von Gemüse und Kleinvieh gestellt. Die Einlieger der Büdnereien mussten sich sich Auswärts um Arbeit bemühen, die oft nur saisonal vergeben wurde.
Artikel aktualisiert am 19.03.2024