Von 1755 bis 1780 wurden, auf Basis der Vermessung der Dörfer, die Rechtsverhältnisse und Abgaben der Hufen neu reguliert. Das brachte für die Hauswirte einige echte Erleichterungen. Das Amt schloss mit allen Hauswirten eines Dorfes einheitliche Pachtverträge ab, die meist auf 21 Jahre ausgelegt waren. Die Hauswirte waren, als Pächter, damit rechtlich besser gestellt. Sie zahlten Pacht auf Acker und stehende Hebungen. Extradienste mussten sie gesondert mit Geld ablösen. Die Dienste an die Höfe fielen weg, wobei sie in einigen Dörfern noch Bestand hatten. Dort wurde dann weniger Pacht gezahlt.
Die Hüfner, wie die Hauswirte nach erfolgter Regulierung genannt wurden, bekamen klare Rechtsverhältnisse und waren nicht mehr der Willkür der Hofpächter ausgesetzt. Die Hürden für eine Abmeierung wurden höher gesteckt. Das Amt musste ihnen Verstöße gegen die Pachtverträge nachweisen. Nach Ablauf des Pachtvertrages hatten sie zwar kein Recht auf einen Anschlussvertrag, es war aber gängige Praxis, ihn diesen, gute Hofführung vorausgesetzt, zu gewähren. Die Hufenpachten wurden nicht ausgeschrieben und meistbietend vergeben, wie bei den Höfen, sondern unter der Hand. So konnte ein tüchtiger Hüfner darauf vertrauen, die Hufe bis an sein Lebensende bewirtschaften und seinen Nachkommen vererben zu können.
Die Höfe mussten sich auf eine Bewirtschaftung mit Tagelöhnern umstellen, was sich als wirtschaftlicher Segen herausstellte. Die aufkommenden Büdner zahlten eine besondere Büdnereiabgabe.
Diese Reform führte der Herzog nicht durch, weil ihm plötzlich die Menschenrechte heilig wurden oder er christliche Werte von der verbalen auf eine praktische Ebene befördern wollte. Es war im Grunde reine Notwehr. Das Land war hoch verschuldet und die Rechtsverhältnisse im Europäischen Maßstab völlig überholt. Auch sah er sich immensem Druck seitens seiner Gläubiger ausgesetzt. Selbst innerhalb seiner Kammerverwaltung mehrten sich die Stimmen, die auf Reformen drängten. Wenn Mecklenburg so etwas wie eine Zukunft haben wollte, musste er handeln.
Die Verbesserungen für die Bauern bedeuteten jedoch keine Glücksseligkeit an allen Fronten. Salopp ausgedrückt läßt sich sagen, die Lage der Bauern verbesserte sich von unerträglich zu schlecht. Die zeitgenössischen Akten sind voll von Beschwerden der Untertanen über erfahrenes Unrecht. Nur selten bekamen auch Bauern gegenüber den Hofpächtern oder Amtsangestellten Recht. Meist bügelten die Schweriner Beamten entsprechende Eingaben schroff ab. Einen unrühmlichen Ruf hat sich dabei in der Region der Pächter des Hofes Vorderbollhagens, Hagemeister, erworben. Über seinen Umgang mit den Bauern wurden viele Beschwerden geführt – sehr oft augenscheinlich begründet. Die Antwort aus Schwerin lautete meist:
Die Bauern sind mit ihrer Klage gegen den Pensionär Hagemeister zu Vorderbollhagen abzuweisen. Kommen sie nochmal mit solchen Querelen, so sind sie exemplariter zu bestrafen.
Exemplarisch war damals gleichzusetzen mit einer Tracht Prügel. Da wurden gestandene Landwirte wie Schulbuben mit dem Rohrstock oder der Peitsche versohlt. Ein entwürdigendes Prozedere, das in Mecklenburg bis 1802 Bestand hatte.
Bauernlegen im Domanium
Eng mit der Leibeigenschaft verbandelt ist das sogenannte Bauernlegen. Anfangs wurden im Dreißigjährigen Krieg aufgegebene Bauernstellen zusammengelegt und fortan als Güter bewirtschaftet. Dieses, an sich positiv zu wertende Prozedere, wurde bald von Teilen der Ritterschaft schamlos zur eigenen Bereicherung ausgenutzt. Bauernfamilien, die den Dreißigjährigen Krieg überlebt hatten, wurden durch Mobbing – wie man heute sagt – zur Aufgabe ihrer Höfe gezwungen, die sich die Ritterschaft anschließend aneignete. Heute wird diese dunkle Seite gerne in den Vordergrund der Geschichtsschreibung gerückt. Später wurden in der Literatur auch allgemeine Fluranpassungen durch die Grundherren, die es zu allen Zeiten gab, als Bauernlegen bezeichnet.
Schon zur Zeit der Grundherrschaft durch das Kloster wurden die Klosterhöfe vergrößert durch Abmeierung von Bauern. Diese wurden aber entschädigt und anderenorts angesiedelt. Von den Zisterziensermönchen ist aber auch überliefert, dass sie Höfe legten und zu Bauernhufen wandelten, wenn es wirtschaftlich geboten war.
In Brodhagen verringerte sich die Zahl der Hufen von vier im Jahr 1775 auf drei, die elf Kossatenstellen wurden alle nicht mehr aufgeführt. Manch einer spricht dabei vom Legen der Stellen. Es ist wohl davon auszugehen, dass diese im Zuge der Regulierung dem Hof zugeschlagen wurde, weil diese nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben waren.
Für die Reddelicher Bauern spielte das Bauernlegen keine Rolle. Im herzoglichen Domanium wurden in der Regel nur Bauernhöfe gelegt, die wüst gelegen haben. Es machte auch keinen Sinn, denn der Herzog hatte ohnehin die Verfügungsgewalt über die domanialen Felder, Wiesen und Höfe. Die dort wirtschaftenden Bauern waren seine Leibeigenen für die er auch in der Fürsorgepflicht war. Auf deren Fachkompetenz und Arbeit war das Herzoghaus angewiesen.
Die Flächenverteilung war nie etwas statisches. Anträge auf Änderungen der Betriebsgrößen zulasten von Nachbarn ziehen sich durch die Akten aller Jahrhunderte. So wurde, um das Hofland von Vorderbollhagen abzurunden, 1750 den Bauern von Reddelich die 1.778 Quadratruten (3,76 ha) Brodhäger Wiesen genommen und dem Hofe Vorderbollhagen zugelegt. Durch welches Privileg die Reddelicher zu den Wiesen gekommen war, ist nicht bekannt. Bekannt ist aber, dass die wüsten Bauernstellen in Reddelich mit Zwangsmaßnahmen durch fähige und gesunde Untertanen besetzt wurden.
Artikel aktualisiert am 15.03.2024