Von Reinhold Griese (Recherche), Ulf Lübs (Text, Layout).
Die Brodhäger Domäne gehörte zu den kleinsten und unrentabelsten Gütern in Mecklenburg. Geschuldet war dies hauptsächlich den kargen, sandigen Böden rund um Brodhagen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Domäne zeitweilig gemeinsam mit den Domänen Steffenshagen und Vorderbollhagen verpachtet wurde sowie die Brodhäger Kalkbrennerei dem Gut zugeschlagen wurde.
1790: Erstellung eines Feldregisters von der Meierei Brodhagen. Dort wurde für den Hof eine Größe von 112.593 Quadratruten angegeben. Der Acker der Meierei war in sieben Schläge eingeteilt. Diese Einteilung wurde über lange Zeit beibehalten.
Ende der 1780er Jahre begann eine grundlegende Veränderung in der Schafzucht in Mecklenburg. Die ersten spanischen Merinoschafe wurden fortgepflanzt. Bei den Viehzählungen wurden diese Schafe als feine Schafe aufgeführt. Dies war auch für die Brodhäger Domäne, als Schafzuchtbetrieb, bedeutsam.
1818: Pächter der Höfe Brodhagen, Steffenshagen und Vorderbollhagen war ein Burmeister
1848–1863: Der Hof Brodhagen erhielt einen neuen Pachtkontrakt. Pächter ist Burmeister, Größe des Gutes: 85.899 Qudratruten.
1863–1873: Verpachtung des Hofes Brodhagen an Philipp Seer. Anlage zum Pachtkontrakt war ein sehr konkret abgefaßtes Regulativ zu den Rechten der Hoftagelöhner. (siehe Kapitel "Zur Geschichte des Brodhäger Hofes")
1872 wurde die Feldmark der Domäne vermessen und eine Flurkarte mit Schlagaufteilung erstellt. (siehe Anlage)
1873–1894: Erneute Verpachtung des Hofes Brodhagen an Philipp Seer.
1874: Der Hof Brodhagen gründete eine selbstständige Gemeinde. Dies war nichts Ungewöhnliches. Nach damaligem Ständewesen war es unter der Würde eines Gutspächters, sich der Dorfgemeinde unterzuordnen, oder sich als Gemeindeoberhaupt mit den Belangen der Dorfschaft zu befassen.
1881 (17. Februar): Es erschien eine Todesanzeige von Philipp Seer im Mecklenburgischer Anzeiger
1882: Als Hofpächter wurde ein C. Fabricius genannt. Näheres zur Person ist nicht bekannt.
1895 (1. Dezember): Zur Volkszählung wurde das Gut als Domänenpachthof registriert, mit 150 ha Ackerland, 31,1 ha Wiesen, 1 ha Weiden sowie 7,4 ha Holzungen und Wasserflächen. Pächter war Otto Krieg. Der Hof gehörte zum Kirchspiel Steffenshagen, mit Pastor Thieme als Amtsträger. Der zuständige Ort für Eisenbahnanschluss (E), Post (P) und Telefon (T) war Doberan. Dort saß auch das zuständige Amtsgericht.
1905 (1. Dezember): Volkszählung in Mecklenburg, bei der zum Hof Brodhagen folgende Angaben gemacht wurden: Größe: 189,4 ha, davon 150 ha Ackerland und Garten, 31 ha Wiesen, 1 ha Weiden, 7,4 ha Wald, 599,9 bonitierte Scheffel, Viehbestand: 15 Pferde, 89 Rinder davon 67 Kühe, 142 Schafe, 63 Schweine, Pächter: Otto Krieg,
1918: Mit dem Zusammenbruch des Kaiserreichs ging der Hof Brodhagen, wie alle herzoglichen Domänen, in den Besitz des Landes Mecklenburg über.
1926-1941: Verpachtung von Hof Brodhagen an Paul Dierks.
1932: Entschuldung des Hofes Brodhagen mit dem Pächter Paul Dierks. Ein Entschuldungsdarlehen in Höhe von 26.000 RM wurde gewährt.
1933: Folgende Flächen wurden der Domäne Brodhagen entnommen: Für die Büdnerei Meyer 7,7785 ha, für das Amtsreservat 6,06 ha, für das allgemein Unbrauchbare 0,2224 ha
1935: Rückübertragung der Brodhäger Siedlungsbüdnerei Meyer zur Domäne sowie 1,1065 ha aus dem Amtsreservat.
1938 Für den Hof Brodhagen waren folgende Schulden verzeichnet: Pächterkredit 8.000 RM, Entschuldungsdarlehen 26.000 RM, Überhang 8715,88 RM davon im Jahre 1939 8024,18 RM, an den Reichsnährstand gehen 264,40 RM.
1941: Der Hof Brodhagen verlor seinen Status als eigenständige Gemeinde und wurde mit dem Dorf zusammengelegt. Dies geschah auf Anweisung der Verwaltung.
1941: Pachtverlängerung des Hofes Brodhagen für Paul Dierks bis 1945. Größe des Hofes: Garten: 19.37 m², Acker: 140,03 ha, Wiese: 29,65 ha, Weide: 2.71 m².
1945/46: Aufsiedlung der Domäne durch eine Bodenreform. Das Land wurde vorwiegend in Neubauernstellen zu rund 8 ha aufgeteilt. Auf Zuweisung einer Neubauernstelle konnte sich im Grunde jeder bewerben. Durch diese Aufsiedlung verlor das Gut seinen Charakter als zusammenhängende Wirtschaftseinheit und hörte damit praktisch auf zu existieren.
Zur Geschichte des Brodhäger Hofes
Zur Frühgeschichte des Brodhäger Hofes ist noch wenig bekannt. Als halbwegs gesichert dürfte jedoch gelten, dass mit der Ansiedlung von deutschen Bauern im Schlepptau der Doberaner Mönche zu Beginn des 13. Jahrhunderts die bekannte Dorfstruktur entstand.
Das Muster: Klostergut flankiert von Bauernhufen, kann man eigentlich bei allen damaligen Ansiedlungen im Herrschaftsbereich des Klosters feststellen. Es war ja auch praktisch. Die Mönche hatten mit ihren Gütern Stützpunkte ihrer Macht in ihrem Einflussbereich. Mit den Bauernhöfen in unmittelbarer Nähe zu ihren Gütern hatten sie notwendige Arbeitskräfte zur Gutshofbewirtschaftung in ihrer Nähe. Denn die damals noch relativ freien Bauern waren den Mönchen durch Fron und Zehnt tributpflichtig. Die Bauern wiederum fanden in den Klostergütern nicht zuletzt ideelle Ankerpunkte in ihrer Welt voller Unsicherheiten, Bedrohungen und Dämonen und profitierten, ganz pragmatisch, vom Wissen der Mönche.
Mit der Säkularisierung, im Zusammenhang mit der Reformation von 1552, wurden die Mönche als Gutsbesitzer durch den Mecklenburger Herzog abgelöst. Die Verwaltung ging, nach wie vor, von Doberan aus. Statt der Klosterbeamten hatten nun die Domanialbeamten auf Hof Brodhagen das Sagen. Einzelheiten zu dieser Zeit sind sicher noch in den Akten des Domanialamtes Doberan zu finden.
Eine Besonderheit der Brodhäger Domäne war die zeitweilig dort angegliederte Kalkbrennerei. Diese versorgte ab dem 18. Jahrhundert die Region mit Baukalk. Die späteren Pächter führten die Aufsicht über die Kalkbrenner, was Ihnen sicherlich ein willkommenes Zubrot zur kargen Landwirtschaft des Hofes einbrachte.
Rückschlüsse zur wirtschaftlichen Bedeutung des Hofes Brodhagen lässt schon die Information zu, dass dieser 1818 zusammen mit den Höfen Steffenshagen und Vorderbollhagen an einen Pächter vergeben wurden. So etwas machte die herzogliche Kammer nicht ohne gute Gründe, zumal die Nachfrage nach Gutspachten in Mecklenburg damals recht groß war. Was die Kammerbeamten in Schwerin damals aber schon machten, war: Sie verfassten, mit wachsender Begeisterung, Regelungen bis ins kleinste Detail. Ein gutes Beispiel dafür ist die Anlage B zum Pachtkontrakt für den Hof Brodhagen von 1818. Nachfolgend daraus den Teil:
1863: erhielt Philipp Seer einen Pachtvertrag für den Hof Brodhagen. Offensichtlich wurde der Hof separat verpachtet, denn Pächter Burmeister blieb bis zu seinem Tod Pächter der Domäne Vorderbollhagen.
Interessant ist der direkte Vergleich der Emolumenteregelung für die Tagelöhner. Zeigt nachfolgender Auszug aus dem Pachtvertrag von 1863 doch, dass die Schweriner Beamten seit 1818 nicht untätig waren:
Die Gemeindegründungen ab 1869 in Mecklenburg machten auch vor Brodhagen nicht halt. Wie allgemein üblich wurden die Güter eigenständige Gemeinden. Die Leitung der Gründungsversammlung der Gemeinde Hof Brodhagen
im Jahr 1874 hatte Amtsmann Reichhof. Teilnehmer war der Gutspächter Seer: » … um die näheren Bestimmungen in Betreff der demnächstigen Konstituierung der genannten Ortschaft als selbstständige Gemeinde in Grundlage der Gemeindeordnung vom 29. Juni 1869 entgegenzunehmen. «, wie es das Protokoll vermerkte.
Folgende Festlegungen wurden getroffen: » Die Gemeindefeldmark umfasst das Pachtgrundstück Brodhagen, es bleibt aber vorbehalten … den Gemeindebezirk anders festzulegen. « Dem Pächter bleibt es: » … überlassen alle Gemeindelasten selbst zu tragen oder nach Maßgabe der Gemeindeordnung die übrigen Mitglieder heranzuziehen. « Ihm obliegt es: » … sämtliche aus der Gemeindeordnung entspringenden Geschäfte zu tätigen. Für einen Amtsarzt ist gemeinsam mit Dorf Brodhagen ein Honorar zu zahlen und ein Wundarzt zu bestellen. Es bleiben bis auf weiteres die übrigen Verbände lt. § 6 der Gemeindeordnung, und zwar in bisheriger Weise von Bestand, wie Schul-, Hebammen-, Spritzen ect. Verbände. Gemeinsam mit der Gemeinde Dorf Brodhagen ist die Hebamme mit Feuerung zu versorgen. «
Dieser Status: Gemeinde Hof Brodhagen
, hatte bis 1941 bestand, als die Zusammenlegung mit der Gemeinde Dorf Brodhagen
zur Gemeinde Brodhagen
erfolgte.
Im Rahmen der Volkszählung in Mecklenburg 1905 wurden zum Hof Brodhagen folgende Angaben gemacht: 150 ha Ackerland und Garten, 31 ha Wiesen, 1 ha Weiden, 7,4 ha Wald sowie an Vieh: 15 Pferde, 89 Rinder davon 67 Kühe, 142 Schafe und 63 Schweine. Als Pächter wurde Otto Krieg genannt.
Mit dem Zusammenbruch des Kaiserreichs 1918 ging der Hof Brodhagen, wie alle herzoglichen Domänen, in den Besitz des Landes Mecklenburg über. 1926 pachtete Paul Dierks die Domäne. Viel über die Wirtschaftlichkeit des Hofes steht in einem Berichtsbogens zum Hofentschuldungsverfahren von 1932:
- Organisation ist risikoreich, Führung mäßig, landwirtschaftliche und kaufmännische Fähigkeiten gering, sie bieten wenig Sicherheiten für Kreditierung zur Entschuldung.
- Fruchtfolge auf 7 Schlägen: Hackfrucht – Sommerung –Sommerung – Hülsenfrüchte – Sommerung – Sommerung – Winterung. Diese bietet bei einer Winterung nur geringen wirtschaftlichen Erfolg
- Lebendes Inventar: 15 Pferde, 8 Fohlen, 8 Mastochsen, 1 Bullen, 23 Kühe, 17 Jungvieh, 3 Kälber, 14 Zuchtschweine, 58 Läufer und 7 Ferkel Rinderbesatz wird als gut, Schweinebesatz als nicht ausreichend eingeschätzt.
- Totes Inventar: 1 Dreschsatz, 2 Saatreinigungsanlagen, 1 Strohpresse, 1 Drillmaschine, 6 Mähmaschinen und 2 Düngerstreuer
- Abgaben: Pacht 6.450,00 Mark, Pfarre 113,00 Mark und Küster 65,00 Mark
- Beschäftigte: 2 Gesinde, 9 Deputanten, 1 Hofgänger, 2 Freiarbeiter für 10 Wochen, 8 Wanderarbeiter
Trotzdem wurden die Pachtverträge von Pächter Dierks regelmäßig verlängert, wofür seine Mitgliedschaft in der NSDAP sicherlich von Nutzen war. So urteilte die Gauleitung der NSDAP zur Pachtverlängerung 1941: » Dierks ist Parteigenosse seit 1932, Mitgliedsnummer 1.372.411, charakterlich und politisch einwandfrei, keine politische Bedenken für eine Weiterverpachtung. «
Bei diesen Führungsqualitäten war es wenig verwunderlich, dass Brodhagen 1945 weder eine öffentliche Stromversorgung, noch eine zentrale Wasserversorgung hatte und die Bausubstanz des Hofes auch eher mit mäßig einzuschätzen ist.
Wechselnde Größenangaben, bei den Ländereien des Hofes in den Statistiken der Domänenzeit, zeigen ein permanentes Gezerre um Flächen. Wo immer jemand nach Land schrie, wurde vom, ohnehin mit wenig Land ausgestattetem, Gut etwas abgezwackt.
Für den Hof Brodhagen waren 1938 folgende Schulden verzeichnet: 8.000 RM Pächterkredit, 26.000 RM Entschuldungsdarlehen und 8.715,88 RM Überhang (Umlaufmittelkredit). An den Reichsnährstand – eine Zwangsweise geschaffene nationalsozialistische Vereinigung der Land- und Ernährungswirtschaft – mussten 264,40 RM abgeführt werden.
1941 erfolgte eine Pachtverlängerung des Hofes Brodhagen für Paul Dierks bis 1945. Zur Domäne gehörten: 140 ha Acker, 30 ha Wiesen und Weiden sowie 1,9 ha Hof und Garten. Zu Protokoll wurde auch gegeben, dass durch den Wechsel von schweren Lehm- und leichten Sandboden nur geringe Erträge erzielt wurden. Auch bestanden große Schwierigkeiten bei der Feldbestellung, da Pferde für den Kriegseinsatz abgezogen wurden.
Im Dezember 2021 wurde Herr Michael Kohlhaas [59] auf unsere Chronik aufmerksam und schrieb einen Artikel über das Umfeld des letzten Domänenpächters Paul Dierks, den er uns freundlicherweise für die Veröffentlichung zur Verfügung stellte. Dafür danken wir Ihm:
Nach Kriegsende 1945 wurde das Gut im Rahmen der Bodenreform aufgesiedelt. Eine Neubauernstelle erhielten 22 Umsiedler und neun Einheimische. Nach dem Verlust der administrativen Eigenständigkeit 1941 verlor Hof Brodhagen mit der Bodenreform 1946 auch den Charakter eines wirtschaftlich arrondierten Gutes und hörte praktisch auf zu existieren.
An der Dorfstraße, zwischen der Katenreihe und dem Gutshof steht ein Gebäude, das als Schmiede genutzt wurde. Wann dieses gebaut wurde ist nicht bekannt. In den Volkszählungslisten von 1867 und 1900 ist kein Schmied in Brodhagen aufgeführt. Bekannt ist, dass in den 1950er Jahren der Schmied Otto Kuchel aus Reddelich, neben der Schmiede auf der Häuslerei Nr. 20 von Reddelich auch die Schmiede in Brodhagen bewirtschaftete. Gewohnt hat er, mit seiner Familie auf der Reddelicher Büdnerei № 18. 1963 starb Otto Kuchel mit 59 Jahren. [56]
Das Gutshaus kam nach der Bodenreform in die Trägerschaft der Gemeinde und wurde zu Wohnzwecken genutzt. Eigentümer blieb jedoch das Land Mecklenburg. Nachdem das Gebäude völlig verwahrlost und unbewohnbar war, ließ die Gemeinde es 1985 sanieren:
Nach dem Beitritt Reddelichs zur Bundesrepublik 1990 stritten sich die Gemeinde und das Land M-V um die Eigentumsrechte an das ehemalige Gutshaus. 1998 wurde dieser Streit letztinstanzlich zu Gunsten des Landes entschieden. Das Haus war zwischenzeitlich freigezogen und durch Verkauf privatisiert. Es stand noch zwanzig Jahre leer, bevor sich der Eigentümer entschloss, es an eine Familie weiter zu verkaufen, die dort auch wohnen möchte.
Artikel aktualisiert am 22.03.2024