von Ulf Lübs
Kaum ein Landwirtschaftsbetrieb Reddelichs dürfte jemals in der Region und darüber hinaus einen solch hohen Bekanntheitsgrad erlangt haben wie der Bauernhof Barten. Maßgeblich dafür war die Umstellung der Produktion auf den Anbau, sowie für die Zucht und Vermarktung von Kohl zu Beginn der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Dass die Familie Barten flexibel auf die wirtschaftlichen Verhältnisse reagierte und innovationsfreudig war, zeigte auch die Anlage eine Obstplantage im Jahr 1919.
Viele Personendaten standen mir für diesen Artikel nicht zur Verfügung. Ich konnte auch mit keinem Familienmitglied sprechen. Aber alleine aus den Akten läßt sich ein Abbild einer mecklenburgischen Bauenfamilie mit ihren Höhen und Tiefen erstellen. Der Name Barten taucht in der Hofchronik bereits 1826 auf. Der damalige Hauswirt, Johann Joachim Martin Bull, heiratete in dem Jahr Anna Catharina Barten aus Bartenshagen. 1888 kaufte Peter Barten, der aus Elmenhorst stammte, den Hof. Ob da verwandtschaftliche Beziehungen bestanden, konnte ich nicht herausfinden.
Bereits drei Jahre nach Hofübernahme musste die Familie eine Katastrophe hinnehmen. Ihr Hof brannte 1891 komplett ab. Laut damaligen Presseberichten, konnte die Familie gerade mal ihr Leben retten.
1915 gab es einen weiteren Schicksalsschlag: Sohn Heinrich, geb. 1889, fiel auf einem der Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges. Über die Zeit danach ist wenig bekannt von der Familie Barten.
1949 hatte es offensichtlich eine Hofübergabe mit Bestrebungen, diesen zu verkaufen gegeben. Anfang der 1950er Jahre floh die Familie nach Westdeutschland. Sie werden, wie die meisten Bauern Reddelichs und Brodhagens, keine Zukunft in der DDR gesehen haben. Die damalige Situation habe ich versucht im Artikel Die Lage der Reddelicher Großbauern darzustellen. Bis zum Verkauf des Hofes und der damit einhergegangenen Auflösung der Hufe durch die Trennung von Hof und Acker, war die Familie Barten zwar grundbuchlich Eigentümer, hatte aber keinen Einfluss auf die Bewirtschaftung.
Hofbeschreibung
Die in den Verwaltungsakten als Hufe III, bzw. Später als Bauernhof III geführte Bauernwirtschaft wurde nach dem Großbrand in Reddelich 1891 als Dreiseitenhof neu angelegt. Über den Bestand davor ist mir nichts bekannt.
Von der Dorfstraße aus gesehen befand sich das Wohnhaus der Familie Barten etwa dreißig bis vierzig Meter zurückgesetzt und parallel zu dieser. Das Gebäude wurde ab 1995 durch die neuen Eigentümer, Familie Schütt aus Brodhagen, komplett und aufwendig saniert. Dabei wurden Grund- und Aufriss beibehalten. Rechts und links von der Blickachse Dorfstraße – Wohnhaus standen reetgedeckte Scheunen mit Firstausrichtung quer zur Dorfstraße. Bei genauer Betrachtung von Bild-1, die Scheune des Hofes um 1930, erkennt man im Bereich des Erntekranzes Isolatoren an einem Mast mit und am Giebel. Das legt eine abgeschlossene Elektrifizierung Reddelichs zum Zeitpunkt der Aufnahme nahe. Ferner deutet der Schornstein am linken Bildrand auf eine Nutzung des Gebäudes nicht nur als Scheune hin.
Links hinter der Scheune befand sich ein Wirtschaftsgebäude mit Stall und (Futterküche?), das mit fester (Ziegel) Dacheindeckung versehen war (Bild-2). Auffällig an dem Gebäude ist eine integrierte Feuerstelle (Schornstein), vermutlich für eine Nutzung als Futterküche. Denkbar ist aber auch eine Nutzung als Waschküche oder eine Werkstatt mit Schmiedefeuer. Der Hof macht auf den Fotos einen sehr aufgeräumten Eindruck, man sieht keine herumlaufenden Hühner und keine herumstehenden Gerätschaften.
Abgesehen davon, dass die Scheunen in den 1970er Jahren eine zwar hässliche aber effiziente Dacheindeckung aus Wellasbestplatten bekamen, änderte sich an den Gebäudeansichten des Hofes bis zur bereits erwähnten Wohnhaussanierung ab 1995 wenig. Die zuletzt von der LPG Immer Bereit
als Schweineställe genutzten Wirtschaftsgebäude wurden 1995 abgerissen. Heute stehen dort Eigenheime.
Die Wirtschaft des Bauernhofes Barten
Während die Hufe III bis zum Ende des 19. Jahrhunderts eher unauffällig bewirtschaftet wurde, kam mit der Übernahme durch Peter Barten Bewegung in die Abläufe. Eine Zäsur für die Bauernfamilie war sicher der Großbrand von 1891, der von der Hufe V ausging. Durch die kompakte Lage der Höfe waren die Auswirkungen verheerend. Auch der Hof Barten musste anschließend neu aufgebaut werden. Das Wirtschaften und Wohnen auf einer Baustelle dürfte sicher wenig Spaß bereitet haben und auch nicht sehr effizient gewesen sein. Einzelheiten aus dieser Phase sind nicht überliefert. Am Ende stand der Familie Barten jedoch ein moderner Dreiseitenhof zur Verfügung.
Ein wichtiges wirtschaftliches Standbein zu der Zeit war auf dem Hof Barten die Milchproduktion. 1901 lieferte der Hof 21.873 kg Milch an die Molkerei Reddelich. Bei damaliger Milchleistung waren dazu etwa sieben bis acht Milchkühe erforderlich. Mit der Nachzucht und Bullen war das damals eine beachtliche Rinderherde. Die Bedeutung wiederspiegelt auch der Aufsichtsratssitz in der Molkerei, den Peter Barten 1901 innehatte.
1918 begann Hans Barten, Sohn von Peter Barten, mit der Anlage von Obstplantagen. Standorte waren der Garten zwischen Hof und Moehlenbäk sowie die Feldflur am Weg nach Jennewitz. Diese Anlagen wurden nach der Flucht der Familie Barten nach Westdeutschland nicht mehr gepflegt und 1979 – völlig verwahrlost – gerodet.
Mit Umstellung der Wirtschaft auf Kohlanbau, die um 1920 begann, machten sich einige Investitionen erforderlich, wobei die wohl Größte eine Lagerhalle für die geernteten Kohlköpfe war. Diese sogenannte Kohlscheune wurde um 1922 erbaut und war seitdem eines der bekanntesten Bauwerke Reddelichs. Das in der Dorfstraße auf der linke Seite in Richtung Jennewitz gelegene Gebäude wurde in den 1980-er Jahren von der LPG (P) KÜHLUNG als Lagerhalle für Baumaterial genutzt. In den 1990-er Jahren übernahm die Firma Svenson, Bauträger für die Erschließung des Gewerbegebietes, das Grundstück, mit dem zusehends verfallenden Gebäude, zur Nutzung als Bauhof. Ein Brand in dem baufälligem Gebäude im Jahr 1996 konnte dieses weder komplett zerstören, noch viel Schaden anrichten. Um die Jahrtausendwende wurde die mittlerweile zur Bauruine gewordene Kohlscheune abgerissen und auf dem Grundstück Eigenheime errichtet.
Eine andere, wichtige Investition war die Installation einer Bewässerungsanlage in den 1930-er Jahren. Dazu wurde die Moehlenbäk mit einem neu gebauten Wehr angestaut. Eine stationäre Pumpe drückte das Wasser durch unterirdisch verlegte Leitungen zu den Kohlfeldern. Dort wurde das Wasser durch mobile Beregnungsanlagen verteilt. Nahe liegt, dass die Kohlfelder davor mit mobilen Anlagen beregnet wurde. Für damalige Verhältnisse war das eine hochmoderne Anlage.
Wie professionell die Kohlzucht in Reddelich angegangen wurde, kann man auch daran erkennen, dass Hans Barten diese in die Hände holländischer Spezialisten legte. Darunter die Familie Houtkooper, die bis 1989 in Reddelich heimisch war. Auch ein aufwändig gestalteter und gedruckter Prospekt aus dem Jahr 1927 und die bedruckte Kohlsamentüte aus den 1930 er Jahren zeugen davon.
Die Spezialisierung der Wirtschaft auf Kohlanbau bedeutete jedoch nicht, dass auf dem Bartenhof keine klassische Landwirtschaft mehr betrieben wurde. Kreuzblütengewächse, zu denen neben den verschiedenen Kohlarten auch Raps gehört, benötigen aus Gründen der Pflanzengesundheit mindestens drei Jahre Anbaupause. Somit konnte Bauer Barten höchstens ein Viertel seiner Ackerfläche mit Kohl bestellen. Die Milchproduktion wurde allerdings, wahrscheinlich wegen des Kohl- und Obstanbaus, stark zurückgefahren. 1941 lieferte der Hof Barten nur noch 6.500 kg Rohmilch an die Molkerei.
Nach 1945 wurde auch für die Familie Barten die wirtschaftliche Lage immer prekärer. Grund war der politische Druck auf die Großbauern, wie die Familienbetriebe im landwirtschaftlichen Vollerwerb damals – durchaus abwertend gemeint – genannt wurden. Anfang der 1950-er Jahre gaben sie schließlich auf und flohen in den Westen. Durch ihr innovatives Wirtschaften hat sich die Familie Barten quasi ein Denkmal in Reddelich gesetzt.
Epilog
Nach der Flucht von Bauer Barten nach Westdeutschland wurde die Kohlzucht zunächst von einem staatlichen Saatzuchtbetrieb weitergeführt, schlief aber in den 1960-er Jahren ein. Die Familie Barten war auch zu DDR-Zeiten grundbuchlicher Eigentümer des Hofes. Sie hatten weder wirtschaftliche Vorteile von ihren Eigentumsrechten, noch hatten sie ein Mitspracherecht bei der Nutzung. Ein Verkauf wäre nur an eine LPG oder die Gemeinde möglich. Der Erlös wäre auch eher von symbolischem Charakter, sodass kaum eine in den Westen übergesiedelte Bauernfamilie ihren Hof verkaufte.
Die Familie Barten tat dies Anfang der 1990-er Jahre an die Familie Schütt aus Brodhagen. Diese riss die Nebengebäude ab und sanierte das Wohnhaus zu Wohnungen für mehrere Familien. Das Hofgelände wurde parzelliert und mit Eigenheimen bebaut. Dadurch verlor die ehemalige Hufe ihren Charakter als Landwirtschaftsbetrieb.