Von Axel Kähler (Recherche) und Ulf Lübs (Text, Layout)
Am 29. Januar 1849 gelang es den Organisatoren, Vertreter der niederen Stände Mecklenburgs im Schweriner Gasthaus Klöres zu versammeln. Es war sicher ein Hauch des frischen Windes von den 1848er revolutionären Unruhen, der auch bis nach Mecklenburg wehte. Die Versammlung wurde letztlich in drei Teilen abgehalten: Am 28. Januar fand eine vorbereitende Sitzung statt, auf der ein fünfköpfiger Vorstand für die Hauptversammlung gewählt und über die Tagesordnung beraten wurde. Die Hauptsitzung der Versammlung fand am 29. Januar statt. Dort wurden die Delegierten sich einig, am 31. März 1849 eine weitere Sitzung abzuhalten. Über alle Sitzungen wurde Protokoll gehalten, das der Nachwelt in Form eines Buches mit 33 Seiten erhalten geblieben ist.
Ein komplettes Delegiertenverzeichnis ist dort nicht veröffentlicht worden. So wissen wir nicht, ob jemand aus unserer Region dort teilgenommen hatte. Überliefert sind Diskussionsbeiträge von Delegierten aus Glashagen, Kröpelin und Satow. Wir sollten aber davon ausgehen, dass sich dieses bedeutsame Ereignis bei den mecklenburgischen Landbewohnern herumgesprochen hatte.
Auf der vorbereitenden Sitzung wurde sich auf zehn Tagesordnungspunkte für die Hauptsitzung geeinigt. Diese waren:
- Zwangs- und Bannrechte und deren Sinnhaftigkeit,
- Bedingungen unter denen landwirtschaftliche Erb- oder Zeitpächter freie Eigentümer werden können,
- Mindestausstattung für Büdner um von ihrer Wirtschaft leben zu können und
- Gestattung von Flächenparzellierungen für Büdner,
- Lebensverhältnisse von Tagelöhnern,
- Landpachtfläche für Einlieger zur Kuhhaltung und
- die angemessene Höhe des Pachtzinses,
- Zahl und Berufe der auf dem Land wirkenden Handwerker und
- angemessene Recognitionen (hier: Beiträge, Steuern) der Handwerker sowie
- Feuerholzdeputate der Landbewohner und deren Preise.
Hauptsitzung am 29. Januar 1849
Nach der Begrüßungsrede auf der Hauptsitzung, die der gewählte Vorsitzende, Schulze Nevermann aus Rüting (bei Grevesmühlen) gehalten hatte, wurde die Einigkeit der Hauswirthe, Büdner und Einlieger diskutiert. Eine Mehrheit sprach sich, nach Abstimmung dafür aus, flächendeckend in Mecklenburg, Ländliche Vereine zu gründen. Der bestehende Grevismühlener Ländliche Verein sollte die Oberleitung übernehmen.
1.
»Welches sind die Zwangs- und Bannrechte, die den Hauswirth am mehrsten drücken; sind sie gänzlich zu beseitigen, oder was muß davon übrig bleiben?«
Bereits dieser erste Tagesordnungspunkt machte deutlich, wie detailliert die Diskussionsbeiträge waren. Dort ging es um die Zwänge, denen die Landbewohner unterworfen wurden. Diese gewachsenen und austarierten Strukturen stellten sicher, dass die vom Herzog, über die Ämter, installierten Spezialisten ihr Auskommen hatten. Insbesondere die Abgrenzung zu den städtischen Zünften war ein permanenter Streitapfel.
Am bekanntesten dürfte der Mahlzwang sein. Dieser sorgte dafür, dass die Landleute ihr Getreide vom ihnen zugewiesenen Müller mahlen ließen und nicht etwa zu einer näher gelegenen oder billigeren Stadtmühle brachten. Mehl für sich war damals noch keine Handelsware und Backwaren erzeugten die meisten Landwirtschaftsbetriebe selbst. Noch heute sind auf einigen Bauernhöfen der Region Backhäuser erhalten. Eine kleine Vorstellung über die damaligen Verhältnisse vermittelt der nachfolgende Diskussionsbeitrag:
Fast schon skurril mutet, aus heutiger Sicht, der Musikzwang an. Es war den Landleuten vorgeschrieben wer auf deren Hochzeiten, Kindstaufen und anderen Festen zum Tanz aufspielte. Welche Auswirkungen dies auf die künstlerische Qualität der amtlich bestimmten Kapellen hatte, lässt sich wohl erahnen. Auch dazu hatte einer der Delegierten eine klare Meinung:
Etwas diffiziler sah es beim Frohnereizwang aus. Als Frohner wurden ursprünglich Henker und Scharfrichter bezeichnet. Da diese mit Hinrichtungen und Folterungen oft nicht ausgelastet waren, übertrug man ihnen auch die Abdeckerei, also das Einsammeln und Entsorgen von Tierkadavern. Frohner waren Angestellte der Städte oder Ämter und wichtig für die Seuchenprävention. Daher machte der Zwang, Tierkadaver staatlich kontrolliert zu entsorgen durchaus Sinn. Das sahen einige Delegierte jedoch enger:
Der Salzzwang war ein eindeutiges Subventionskartell. Der Mecklenburgische Herzog hatte seit dem Mittelalter die Rechte an der Salzgewinnung im heutigen Bad Sülze inne und wollte diese so teuer wie irgend möglich zu Geld machen. Was lag da näher, als seine Untertanen zu zwingen, ihm Sülzer Salz überteuert abzukaufen. Entsprechend scharf war auch die Diskussion der Versammlung:
Ein Relikt aus dem Mittelalter war schon damals der Hundezwang. Dieser verpflichtete die Dörfer, Hetzhunde für die herrschaftliche Jagd vorzuhalten. Etwas sarkastischer Humor würzte die Versammlung:
Der unmittelbare Schmiedezwang hatte offensichtlich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts an Bedeutung verloren. Geblieben sind die Ablöse-Zahlungen als dauerhafte Belastung. Sicher ein Schelm, wer Parallelen zu heute vermutet (z. B. die Sektsteuer zur Finanzierung des I. Weltkrieges). So die zu erwartende Reaktion aus dem Kreis der Delegierten:
Strittig wurde die Diskussion über den Hebammenzwang, also bei Geburten eine Hebamme hinzuzuziehen:
Der klassische Fuhrzwang wurde bereits 1790 mit den Fronarbeiten abgeschafft. Geblieben waren die Ersatzzahlungen, die wiederum entfielen, wenn in den Dörfern Fuhrvereine gegründet wurden, die Fuhrdienste ausführten. Diskutiert wurde über den Druck, den manche Ämter ausübten, um Fuhrvereine auch gegen den Willen von Dorfschaften zu gründen.
Was hier als Wirtschaftszwang bezeichnet wird, ist auch als Flurzwang bekannt. Dieser war in der Tat ein großer Hemmschuh für die Landwirtschaftliche Entwicklung in Mecklenburg:
Der Zwang zu Kirch- und Schuldiensten wurde dort kontrovers diskutiert. Konsens bestand darin. dass diese Hilfen für die Institutionen von der Gemeinschaft geleistet werden müssen. Gestritten wurde um das Wie.