von Reinhold Griese (Recherche), Familie Freudenberg (Unterlagen, Bilder), Ulf Lübs (Text, Layout)
Der Hof der ehemaligen Hufe I in der heutigen Steffenshäger Straße wird derzeit ausschließlich zum Wohnen genutzt. Das Hallenhaus aus dem 18. Jahrhundert wurde durch die heutigen (2021) Eigentümer, der Familie Freudenberg, liebevoll restauriert und wird von ihnen selbst bewohnt.
Ein im ausgehenden 19. Jahrhundert gebauter Kuh- und Pferdestall wurde ebenfalls im ursprünglichen Baustil saniert und zu Mietwohnungen umgebaut. Mit dem Abriss einer, von der Straße aus gesehen, links neben dem Hallenhaus stehenden Scheune zu DDR-Zeiten, verlor der Hof seinen Charakter als Dreiseitenanlage.
1752 wurde die Stelle auf den Bauern Joachim Waack (geb. 1726) umgeschrieben.
1753 lebten nach einem Leibeigenenverzeichnis des Domanialamtes Doberan auf dem Hof:
- Der Hauswirt Joachim Waack (45) und dessen Ehefrau Engel, geb. Bull (43) mit den Kindern: Clas Willies (18); Margarethe Elisabeth Willies (15); Hans Willies (8); Christian Willies (6), Maria Wilies (4) und (Name unleserlich),
- Gesinde: Carl Kleinow (26) und Hans Saß (16)
- Im Katen: Clas Saß (62) und dessen Frau Margarethe Vick (60) mit den Kindern: Jochim (diente beim Schulzen in Reddelich), Hinrich (diente in Steffenshagen), Clas (20) (diente beim Cossaten), Johann (diente bei Schwarck in Nienhagen), Hans (diente beim Hauswirt), Maria Elisabeth (diente beim Hauswirt Frahm in Reddelich).
1755 wurde vom Domanialamt Doberan der Interimswirt Johann Matthies eingesetzt. Über den Grund dafür ist nichts überliefert. In der Regel geschah dies, wenn der Hofbesitzer gestorben war und der Gehöftserbe aus Altersgründen (ab 25 Jahre) die Stelle nicht übernehmen durfte.
Die Hofwehr (Inventar) umfasste an Tieren: acht Pferde, drei Füllen, acht Schafe, vier Kühe, drei Sauen, acht Pölk, neun Gänse und zwölf Hühner. Ackergeräte gab es einen Pflug und drei Haken.
1777 wurde der Hof von J. Matthies an den Gehöftserben Hans Joachim Waack übergeben. Es wurde eine Einweisung unter Zeugen vorgenommen und ein Protokoll angefertigt. Dieses Protokoll enthielt eine Liste der von J. Matthies übernommenen und an dessen Nachfolger übergebenen Hofwehr. Es wurde weiter aufgeführt, dass es weder Aktiva noch Passiva gab, d. h. der Hof war also schuldenfrei.
1826 wurde Andreas Waack auf dem Gehöft von Beamten des Domanialamtes Doberan eingewiesen. Zeugen waren der Schulze Baade und der Hauswirt Allwardt. Andreas Waack musste die rückständige Pacht mitbringen.
Das vorhandene Inventar wurde mit dem Inventar von 1752 verglichen und festgestellt, dass folgendes Plus vorhanden war: zwei Stiere zu vier Jahren, zwei Kühe, eine Stärke, sieben Kälber, acht Schafe und ein Gesindebett. Als Minus wurden aufgeführt: vier Pferde und drei Füllen. Der Grund für die Haltung von nur vier Pferden im Vergleich zu acht im Jahre 1752 war darauf zurückzuführen, dass keine Frondienste mehr geleistet werden mussten, die ein erhöhte Zahl von Zugvieh notwendig machte.
In dem Protokoll wurden das Wohnhaus und das ganze Gehöft beschrieben. Auch die Mitglieder der Gehöftsfamilie wurden genannt: Andreas Waack (geb. 1779), seine Frau Sophia, geb. Baade (geb. 1779), sein Bruder Johann(geb. 1795) und die Kinder: Johann Joachim (geb. 1807), der Gehöftserbe Andreas (geb. 1810), Margarethe (geb. 1816) sowie Daniel (geb. 1819).
Andreas Waack erhielt einen Hofbrief mit folgendem Text überreicht:
Wann der Untertan Andreas Waack in Gemäßheit des Einweiſungsprotokolls vom 9. 9. 1826 zu der hohen Genehmigung 23 e. m. e. a. als Hauswirt auf Gehöft Nr. 1 zu Reddelich angenommen und bestellet worden ist, so wird demselben hiermit Versicherung erteilt, daß solange er die ihm als Hauswirt obliegenden Pflichten treulich erfüllen, und die vom Gehöfte zu leistende Abgaben prompt und richtig abtragen wird, in dem ruhigen Besitze des Gehöftes erhalten und geschützet werden soll. Auch wird dem Hauswirt Andreas Waack wenn er das Gehöft zu einem guten und inventarmäßigem Zuſtande abliefert, der dorfübliche Altenteil hier versichert.
Urkundlich ist dieſer Hofbrief ausgefertigt.
So geschehen in Doberan, den 11. 10.1826
Großherzogliches Amt
1835 wurde der Altenteilkaten neu gebaut. An welcher Stelle ist unbekannt.
1841 wurde Andreas Waack im Bericht der Versammlung deutscher Land- und Forstwirthe aufgeführt. Er stellte ein Pferd für die Rennen auf der Doberaner Rennbahn.
1843 übernahm Johann Waack die Bauernstelle und heiratete im selben Jahr Caroline Griese aus Glashagen. Seine Geschwister wurden Knechte bzw. Dienstmädchen auf dem eigenen Hof oder auf anderen Stellen.
In den 1850-er Jahren wurde ein Schornstein in das Wohnhaus eingebaut, ein Anbau am Wohnhaus getätigt und die Altenteilerwohnung vergrößert.
1867, zur Volkszählung, waren im Bauernhaus der Hufe registriert:
- Der Hauswirt Johann Waak (geb. 1807) mit Ehefrau Elise (geb. 1827) und den Kindern Maria (geb. 1845), Heinrich (geb. 1847, auch Knecht), Sophie (geb. 1849), Peter (geb. 1853), Friederika (geb. 1856), Caroline (geb. 1858) und Henriette (geb. 1866) sowie den Enkelsohn Johann Waak (geb. 1866).
- Der Knecht Johann Vick (geb. 1848) und der Dienstjunge Friedrich Springman, Dienstjunge (geb. 1851).
Im Katen des Gehöftes lebten:
- Der Einlieger Carl Reinnig (geb. 1833) mit Ehefrau Rike (geb. 1823) und den Kindern Sophia (geb. 1856), Heinrich (geb. 1861), Johann (geb. 1864) und Maria (geb. 1866).
- Die Witwe Margaretha Reining (geb. 1804).
1874 erhielt Johann Waack einen Erbpachtkontrakt für die Bauernstelle. Die Hufe war mit einer Größe von 51,99 Hektar angegeben. Das Erbabstandsgeld betrug 17.100 Reichsmark (RM).
Schwerin, den 25. April 1874
Wir Friedrich Franz von Gottes Gnaden Großherzog von Mecklenburg tun kund und geben hiermit zu wissen.
§ 1
Wir überlassen dem Hauswirt Johan Joachim Waack zum erbpachtlichen Besitz und Genuss als Hufe Nr. I zu Reddelich, Amt Doberan die in der Anlage A. verzeichneten Ländereien von 23.982 Quadratruten mit Zubehör.
(…)
§ 3
Hinsichtlich der Klassifikation als Garten, Acker, Wiese, Weide und Unbrauchbar, sowie der Bonität der Ländereien, also auch der Höhe des in der Anlage A. angegeben Hufenstandes, wird nichts gewährleistet.
§ 4
Die Anweisung der Erbpachthufe geschieht zu Johannis 1874 durch unser Amt an einen von demselben zu bestimmenden Tag.
§ 5
An Stelle eines Canons schuldigt der Erbpächter die Kapitalsumme (Kaufgeld) von 17.100 Reichsmark zu 4 Prozent Zinsen, welche in Quartalsraten allemal 14 Tage vor Ablauf des Quartals an die anzuweisenden Stelle unserer Verwaltung (Amt). Dieser Posten wird in die 3. Abteilung des Grund- und Hypothekenbuch der Hufe als erstes Geld eingetragen.
§ 6
Der Erbpächter schuldigt unserer Kammer weiter als Kaufgeld laut zugelegter Liquidation 9.306,06 RM:
Diese Kapitalschuld wird nach der Schuld von 17.100 RM in das Grund- und Hypothekenbuch eingetragen.
Der Erbpächter zahlt auf dieses Kapital 4 Prozent Zinsen und 1 Prozent Tilgung (sinkender Fonds).
Sofortige Kündigung des Kapitals, wenn Erbpächter mit der Zins- und Tilgungszahl in Verzug gerät.
§ 7
Bei Schäden auch in Kriegsfällen wird keine Entschädigung gezahlt.
§ 8
Die Bewirtschaftung und Benutzung des Erbpachtgrundstücks steht zur freien Entschließung des Erbpächters. Dasselbe soll jedoch eine selbständige landwirtschaftliche Nahrungsstelle sein und bleiben. Insbesondere das Erbpachtgrundstück darf nicht parzelliert werden … Unzulässig ist die Konsolidation oder auch nur die wirtschaftliche Zusammenziehung mit einem anderen Grundstücke. Deshalb muss auch der Erbpächter dafür sorgen, dass auf dem Grundstück stets der zur eigenen Bewirtschaftung erforderlichen Wirtschafts- und Wohngebäude vorhanden sind.
§ 9
Altenteile, Alimente und Gehöftsaussteuer aus vorherigen Verhältnissen sind vom Erbpächter zu übernehmen.
§ 10
Alle Steuern, Abgaben und Leistungen an Uns als Landesherren, die Kirche, Pfarre, deren Withum, Küsterei und Schule, sowie zur administrativen, polizeilichen und gemeinnützigen Einrichtungen werden ausschließlich vom Erbpächter getragen.
§ 11
Vorbehalt eines Vorkaufsrechts der Kammer auch im Interesse der Gemeinde.
§ 12
Der Erbpachtbesitz kann nur einer Person zustehen. Veränderungen dürfen der Anerkennung der Kammer.
§ 14
Erbpächter verpfändet für die Erfüllung dieses Kontraktes sein jetziges und zukünftiges Vermögen …
Allgemeine Bestimmung der Pachtversicherung über herrschaftliche Bauernhufe:
- Verpachtet werden die im Feldregister verzeichneten Ländereien mit Zubehör.
- Der Akte ist ein Ertragsanschlag beigefügt.
- Die Gebäude sind schonend zu nutzen.
- Bauhilfsgelder werden zur Behebung etwaige Baufälligkeiten an alten Gebäuden, wie Wohnhaus, Viehhaus und Scheune gewährt nicht aber bei Altenteilkaten.
- Auf eigene Rechnung müssen Backöfen, Hof- und Gartenbefriedungen sowie Brunnen unterhalten werden.
- Nebenverbindlichkeiten, wie Altenteile, Alimente, Steuern, Abgaben und Leistungen an den Landesherren, die Kirche, die Pfarre, Küsterei und Schule sind durch den Hauswirt zu zahlen.
- Das tote Inventar ist zu verbessern.
- Der Viehbestand ist zu erhalten.
- Erbfolge, Altenteil und Abmeierung mit Bestellung eines neuen Hauswirtes sind bei Verfallserscheinungen geregelt.
- Auf amtliches Verlangen ist der Hauswirt verpflichtet, die Hufe schon nach der Kornernte des letzten Pachtjahres zurückzugeben.
1884 erbte Caroline Waack (1849 bis 1927) den Hof, Sie war seit 1877 mit Johann Garbe aus Satow verheiratet.
1888 und 1899 wurden ein Viehhaus bzw. ein Schweinehaus erbaut. Die Gebäude stehen noch heute und sind zu Wohnzwecken umgebaut.
1900, zur Volkszählung wohnten im Bauernhaus:
- Johann Garbe (geb. 1849) mit Ehefrau Coralina Garbe (geb. 1858) und den Kindern Ludwig (geb. 1876), Ina (geb. 1878), Meta (geb. 1881), Heinrich (geb. 1887), Otto (geb. 1889), Frida (geb. 1891) und Erna (geb. 1894);
- die Knechte Johann Giesler (geb. 1883 (Knecht) und Wilhelm Schutz (geb. 1884)
Ein Katen war 1900 offensichtlich nicht mehr vorhanden.
1923 wollte die Erbpächterin das im Grundbuch eingetragene Kanonkapital in Höhe von 17.110 RM zum nächst möglichen Termin kündigen und auszahlen. Das war nicht möglich. Am 1. Februar 1924 wurde vom Amtsgericht Kröpelin die eingetragene Grundbuchschuld auf 4275 Goldmark aufgewertet.
1928 erbte Otto Garbe, der jüngste Sohn von Caroline, den Bauernhof. Das Testament von Caroline Garbe nennt folgende Erben:
- Ina, Ehefrau des Hofbesitzers Ernst Barten in Jürgenshagen
- Rudolf, Büdner in Brunshaupten
- Meta, Ehefrau des Hofbesitzers Wilhelm Böldt in Wischuer
- Lisette, Ehefrau des Hofbesitzers Heinrich Stuhr in Rethwisch
- Erna, unverheiratet in Reddelich
- Elisabeth Garbe, Tochter von Heinrich Garbe (gefallen am 6. 9. 1916), Hofbesitzer in Bargeshagen.
Georg Ludwig Wilhelm Garbe wurde im Testament nicht bedacht. Er war der Sohn Carolines Manns und ihrer Schwester Anna Waack. Die Erbschaftsregulierung erfolgte am 8. 2. 1928. Der Wert des Gehöftes betrug 40.000 RM. Rudolf Garbe ältester Bruder aus Brunshaupten erhielt 4.500 RM. Die anderen Erben ließen das ihnen zustehende Geld als Hypothek in dem Bauernhof, um dessen Wirtschaftlichkeit nicht zu gefährden. Die Hypothek wurde mit fünf Prozent verzinst und durfte vor 1933 nicht abgerufen werden.
1945 lebten auf dem Hof: Otto Garbe (geb. 1889) mit Ehefrau Ina (geb. Maaß), den Kindern Albrecht, Anneliese (verh. Kruth) und Magdalene (verh. Sionka). Bis zum Kriegsende war Otto Garbe Ortsbauernführer.
Nach Kriegsende wurden auf dem Hof einquartiert: Ernst und Margarete Franke aus Pommern/Schlesien und die Familie Wieczorrek (Emma, Waltraud,Walter, Werner, Erika) aus Westpreußen
1952 siedelte die Familie Garbe nach Westdeutschland über.
1995 verkaufte die Familie Garbe den Hof an die Familie Freudenberg, die das Wohnhaus und den Kuhstall sanierte und dort Wohnungen einrichtete. Landwirtschaft wird auf dem Hof keine mehr betrieben.
Die Hufe I als Milchproduktionsbetrieb.
von Ulf Lübs
Mindestens seit Gründung der Reddelicher Molkerei im Jahr 1887 wurde auf dem Hof Garbe Milch produziert. Abgeliefert wurden, relativ kontinuierlich, um 2500 kg Milch im Jahr. Dafür wurden im Durchschnitt elf bis dreizehn Kühe auf dem Hof gehalten.
Der jetzige Eigentümer des Hofes, Hartmut Freudenberg, stellte für die Hofchronik sogenannte Herdenbücher von 1951 und 1953 zur Verfügung. Diese fand er bei seinen Sanierungsarbeiten der Gebäude auf dem Hof. In der nebenstehenden Tabelle ist der Inhalt des Herdenbuches für 1951 zusammengefasst. Offensichtlich war es damals gängige Praxis, den Kühen Namen zu geben. Im Herdenbuch ist für 1951 auch vermerkt, dass der Weideaustrieb am 4. Mai stattfand. Das war relativ spät. Im Allgemeinen findet in unserer Region der Weideaustrieb um den 16. April statt. Beendet wurde die Weidesaison 1951 am 25. Oktober.
Von der Weser auf einen alten Bauernhof
von Klaus Kretschmann, 2008
Am Reddelicher Ortseingang befindet sich in der Steffenshäger Straße 2 ein sehr schönes reetgedecktes altes Bauernhaus. Es befindet sich seit 1995 im Besitz der Familie Freudenberg. Bei dem von ihnen erworbenen Haus handelt es sich, wie Hartmut und Helga Freudenberg berichten, um ein niederdeutsches Zweiständerhaus, das noch vor 1750 errichtet worden sein muss.
Die Blattung der Ständer, d. h. das Zusammenfügen der Balken, wurde noch in einer Art und Weise vorgenommen, wie sie nach 1750 nicht mehr üblich war. Der Haupteingang mit der dahinter befindlichen Tenne zeigt in Richtung Süden. Im hinteren Teil des Gebäudes, der zu einem späteren Zeitpunkt um einen unterkellerten Anbau erweitert wurde, befanden sich die Wohnräume des Bauern und des Altbauern.
Von den Wirtschaftsgebäuden des ehemaligen Dreiseitenhofes sind nur noch auf der östlichen Seite der ehemalige Schweinestall und der Kuh- bzw. Pferdestall, der direkt an die Straße grenzt, erhalten. Die Scheune auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes wurde zu DDR-Zeiten wegen Baufälligkeit abgerissen. Hier befindet sich heute das Grundstück der Familie Köhn.
Ehemaliger Besitzer des Bauernhofes war die Familie Garbe, die vielen alteingesessenen Reddelichern noch gut in Erinnerung ist. Familie Freudenberg kann die Besitzverhältnisse bis auf Johann Garbe zurückführen, dessen Heirat 1887 im alten Kirchenbuch von Steffenshagen eingetragen ist. Sein Sohn Otto Garbe führte den Hof – hier standen 1951 u. a. 11 Milchkühe, wie auf dem Dachboden vorgefundene Unterlagen belegen – bis zu seiner Flucht im Jahre 1952. Mit auf die Flucht in den Westen ging auch dessen Sohn Albrecht Garbe mit seiner Familie, die bis 1952 ebenfalls auf dem Hof lebte. Albrecht Garbe war es auch, der nach der Wende schon im hohen Alter den in den Familienbesitz zurückgeführten Hof noch einmal besichtigte. Nach seinem Tod erbten seine beiden Kinder in Süddeutschland das Grundstück, die selbst aber kein Interesse an dem Hof hatten und ihn deshalb zum Verkauf anboten.
Im Jahre 1995 übernahm die Familie Freudenberg nun den Hof. Frau Freudenberg sagt heute: » Wenn wir das vorher gewusst hätten, was alles auf uns zukommt, wir hätten das Grundstück wohl nicht gekauft.« Von Beginn an mussten alle Baumaßnahmen mit der Denkmalpflege bei der Verwaltung des Landkreises Bad Doberan abgestimmt werden. Zunächst wurde der ehemalige Kuh- und Pferdestall, der bis zur Wende von der LPG zusammen mit dem anderen Stall als Schweinestall genutzt wurde, total entkernt und sechs modern ausgestattete Wohnungen darin errichtet.
Im Jahre 1997 konnte die Restaurierung des Bauernhauses beginnen. Zuerst wurde das Wellasbestdach entfernt und durch ein Reetdach ersetzt. Herr Freudenberg berichtet:
Wir hatten von Anfang an eine sehr gute Zusammenarbeit mit Herrn Handtke von der Denkmalpflege. Als wir dann aber im Dach auf beiden Seiten jeweils drei Gauben einbauen wollten, um zusätzlichen Wohnraum im Dachgeschoss zu schaffen, wollte man uns das zuerst nicht genehmigen, weil ursprünglich keine Gauben im Dach vorhanden waren. Ich habe dann von dem Haus ein Modell gebaut, ungefähr in der Größe 80x30x30 cm. Damit konnte ich die Denkmalpflege umstimmen, denn es war zu sehen, dass sich die Gauben sehr harmonisch in das Dach einfügen. Außerdem konnten wir überzeugend geltend machen, dass denkmalpflegerische Gesichtspunkte einer wirtschaftlichen Nutzung nicht entgegenstehen dürfen.
Schwierig gestalteten sich vor allem die Arbeiten am Fachwerk. Das Ziegelmauerwerk musste gesäubert und teilweise erneuert werden. Lehmwände wurden durch moderne Baustoffe ersetzt. Verfaulte Balken an den Außenwänden mussten ausgetauscht werden. Herr Freudenberg: »Da können sie nicht einfach neue Balken einsetzen, das funktioniert nicht. Also haben wir uns, vermittelt durch die Denkmalpflege, von alten, zum Abriss stehenden Scheunen aus der Umgebung Balken beschafft.« Danach konnten auch neue Türen und Fenster eingesetzt werden. Frau Freudenberg ergänzt: »Ganz schlimm war aber die Beseitigung des Gerümpels, das sich über Jahrzehnte überall im Haus angesammelt hatte. Es kann sich niemand vorstellen, was wir da alles entsorgt haben.« Problematisch war auch der Umstand, dass die Freudenbergs immer nur am Wochenende an ihrem Haus werkeln konnten. »So ein Haus wird nur gut, wenn man viel Zeit und Eigenleistung einbringt«, sagt Herr Freudenberg, »fertig wird man nie.«
So entstanden in dem ehemaligen Bauernhaus ab 1998 zwei größere Wohnungen für die Familie Freudenberg und die ihres Sohnes. Eine kleinere Wohnung wird vermietet und eine weitere Wohnung dient als Ferienwohnung. Das Ehepaar Freudenberg selbst zog im Jahre 2003 nach Reddelich, nachdem Hartmut Freudenberg Abschied aus dem Berufsleben genommen hatte.
Spurensuche
von Hartmut Freudenberg, 2010
Zuerst lebten Menschen und Tiere unter einem Dach in einem großen Raum eng beieinander. Dann wurden Trennwände eingezogen – zunächst zwischen Mensch und Tier und später dann auch zwischen Bauer und Gesinde. Doch es war immer noch ein Rauchhaus mit einer offenen Feuerstelle ohne Schornstein. Der Rauch sammelte sich unter der drei bis vier Meter hohen Decke – Schinken und Würste wurden dort geräuchert – bevor er durch das große Dielentor abzog.
Äußerlich blieb es bis heute ein typisch niederdeutsches Hallenhaus mit niedrigen Fachwerkwänden, großem Tor im Giebel und tief heruntergezogenem, hohen Reetdach. Diese Bauweise des norddeutschen Bauernhauses bestimmte für Jahrhunderte das Bild unserer Dörfer.
Wann genau wurde das Bauernhaus in Reddelich erbaut?
Da half es nur, die methodische Wissenschaft – die Dendrochronologie – einzuschalten. Das Ergebnis war eindeutig: Drei für den Bau des Hauses verwendete Eichenbäume wurden 1753 gefällt. Da die Stämme zu damaliger Zeit nicht gesägt, sondern mit Spezialbeilen behauen wurden, was wiederum nur in saftfrischem Zustand möglich war, muss das Haus mit hoher Sicherheit 1754 errichtet worden sein. Eine stilechte Erweiterung zur Ausdehnung des Wohnbereiches einschließlich Keller und Schornstein muss etwa 100 Jahre später erfolgt sein. Hierzu schrieb Dr. Karl Baumgarten, ein bekannter Forscher alter Bauernhäuser:
Besitzer von Hallenhäusern sträubten sich bis ins 19. Jahrhundert hartnäckig gegen den Einbau von Schornsteinen. Trotz erhöhter Feuergefahr bestanden sie weiterhin auf den Rauchhauscharakter ihrer Gebäude. Diese Haltung der Bauern beruhte auf jahrhundertelanger Erfahrung. Bei dem seit dem Mittelalter üblichen Ernteablauf auf den Feldern war es nicht immer zu vermeiden, dass noch feuchtes Korn eingefahren werden musste – und es wäre den Bauern verschimmelt, wäre es ihnen nicht durch den durch das ganze Haus ziehenden Rauch nachgetrocknet worden.
Wie lebte es sich unter diesen Umständen? Es gab noch keinen Herd und keinen Ofen, Wärme und warme Mahlzeiten gab es nur vom offenen Feuer. Die Stube des Bauern wurde durch den sogenannten Bilegge erwärmt. Das heißt von der Rückwand des offenen Feuers brachte ein gemauerter Kaminzug etwas Wärme in die angrenzende Stube.
Artikel aktualisiert am 29.03.2024