Man sollte meinen, dass es in Mecklenburg kein herrenloses Land mehr zu verteilen gibt. Reddelich passt jedoch auch in dieser Hinsicht in keine gängige Schublade. Eine Ausnahme war bis vor Kurzem der Jennewitzer Landweg.
Neben Reddelich haben an diesem Weg auch Steffenshagen und Kröpelin Anteile. Zur Abgrenzung der Aufgaben wurden im Amt Bad Doberan-Land die jeweiligen Eigentümer ermittelt. Bis dahin sind alle Beteiligten davon ausgegangen, dass jeweils die Gemeinde zuständig ist, auf deren Gebiet der jeweilige Wegabschnitt liegt. Überraschenderweise stellte sich jedoch heraus, dass der Weg sich grundbuchlich noch im Eigentum des Volkes befand, eine Rechtsform, die es in der Bundesrepublik nicht gibt. Da diese Eigentumsform selbst zu DDR-Zeiten zu allgemein für die Zuordnung von Verantwortlichkeiten war, wurde den Nutznießern die Rechtsträgerschaft übertragen. Bis zur Kröpeliner Gemeindegrenze steht die Gemeinde Reddelich als Rechtsträger für den Landweg im Grundbuch. Zwischen Moehlenbäk und Hufenweg verläuft die Gemeindegrenze zwischen Reddelich und Steffenshagen in der Mitte des Weges. Dort ist jede Gemeinde für ihren Teil verantwortlich.
Um zu verstehen warum das so ist, müssen wir in das Jahr 1946 zurückschauen – das Jahr der Bodenreform. Da es in Reddelich erfreulicherweise keine Großgrundbesitzer und Kriegsverbrecher zu enteignen gab, musste eine Lösung für Büdner und Häusler gefunden werden, die nach den Bodenreformgesetzen Anspruch auf mehr Land hatten. Dazu wurde die landwirtschaftliche Nutzfläche zwischen Landweg und Hundehäger Wald unter den Anspruchsberechtigten aufgeteilt. Durch diese Flurneuordnung waren Reddelicher Landwirte damals die Hauptnutznießer des Landweges und die Zuordnung der Rechtsträgerschaft an die Gemeinde Reddelich nur folgerichtig.
Dass diese Verhältnisse mit den Jahren in Vergessenheit gerieten, hat mit der starken Rolle der LPGen bei der Instandhaltung und Verbesserung der ländlichen Infrastruktur zu tun. So herrschte auch in unserer Region zunehmend Pragmatismus bei der Wegeinstandhaltung. Der Jennewitzer Landweg hatte eigentlich nur für die LPG (P) KÜHLUNG eine praktische Bedeutung und wurde von ihr auch, nach den damaligen Möglichkeiten, instandgehalten. Die Gemeinde hatte weder die Technik noch die Mittel dazu. Rechtsträgerschaft hin oder her, sollte der Weg für die Landtechnik befahrbar bleiben, musste die LPG handeln.
Mitte der 1980er Jahre wurde der Landweg komplett saniert. Hauptgrund war die Einrichtung eines Agrarflugplatzes am Weg. Das AGROCHEMISCHE ZENTRUM (ACZ) KRÖPELIN war der Betreiber und machte den Betrieb von einer ordentlichen und befestigten Zuwegung abhängig. In Eigenleistung baute die LPG (P) KÜHLUNG den Weg so aus, wie er noch heute genutzt wird. Das Material für den Unterbau wurde von der Kröpeliner Kartoffelhalle (ausgesiebte Feldsteine), von der ehemaligen Ziegelei Althof (Ziegelbruch) und der KIESGRUBE ALBRECHT aus Tüzen (Rohkies) herangefahren. Dieses Material war zwar nicht unbedingt normgerecht, erweist sich aber bis heute als solider Unterbau. Es sind zwar reichlich oberflächliche Schlaglöcher vorhanden, aber kaum Strukturschäden zu erkennen.
Der letzte Rückschnitt des Wildwuchses wurde Mitte der 1990er Jahre durch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) des Landkreises vorgenommen. Damals waren – gefühlte – zwanzig Leute wochenlang damit beschäftigt, alles Lebendige, das dort nicht hingehörte, mit ihren Motorsensen und Kettensägen nieder zu machen. Wem der Weg letztlich gehörte, spielte auch dabei keine Rolle, da es sich um eine zentrale Maßnahme des Landkreises handelte.
Die Zeiten, als ABM-ler in Kompaniestärke durch Wald und Flur zogen, um aufzuräumen, sind wohl vorerst vorbei. Also musste die Gemeinde eine eigene Lösung finden, damit der für 2016 angekündigte Rübentransport durch den Landweg ohne Schäden an den LKW durchgeführt werden konnte. Es galt, rund 3000 Tonnen Zuckerrüben, also etwa 100 LKW-Ladungen, am Wegrand zu verladen und abzufahren. Die Aufräumarbeiten wurden durch die Mitarbeiter des Amtsbauhofes – sozusagen als Winterbaustelle – erledigt. Ausdrücklich möchte ich mich an dieser Stelle bei Sven Morwinsky bedanken, der dort in seiner Freizeit unentgeltlich mitgeholfen hat.
Bis 2016 wuchs der Weg rund zwanzig Jahre lang stetig zu. Diese ungewollte Reökologisierung wurde im vorigen Winter beendet und der Wildwuchs beseitigt. Der Weg ist als solcher öffentlich gewidmet und es zählt zu den Kernaufgaben kommunaler Selbstverwaltung, die öffentlichen Straßen und Wege in Ordnung zu halten. Sträucher und Bäume auf dem Straßenkörper stören dort jedoch etwas. Dies sah offensichtlich auch das Umweltamt des Landkreises so. Ein aufmerksamer Mitbürger hatte dort angerufen, mit der Bitte um Prüfung der Arbeiten am Weg. Die zuständigen Sachbearbeiter kamen nicht umhin, die Notwendigkeit der Arbeiten anzuerkennen. Zugegeben, durch die Abholzungen entstand zunächst der Eindruck von einer Weiträumigkeit, die einen schon fast an Autobahnen denken ließ. Dieser Eindruck relativierte sich aber bereits im letzten Sommer. Das verbliebene Grün an den Seiten, außerhalb des Straßenkörpers, füllte schnell entstandene Lücken.
Anfang 2017 beschloss die Gemeindevertretung, den Weg als Rad- und Wanderweg herzurichten, der auch für landwirtschaftliche Fahrzeuge befahrbar ist. Die Mittel dazu wurden in den Haushalt eingestellt. 2017 ist auch die vermögensrechtliche Zuordnung des Weges an die Gemeinde erfolgt. Damit ist das Gemeindeterritorium um einige tausend Quadratmeter größer geworden.
Im Juni bekam die Tiefbaufirma Westphal mit Sitz im Reddelicher Gewerbegebiet den Zuschlag zur Sanierung des Landweges. Ausgeführt wurde diese mit einem Straßenkörper aus verdichtetem Schotter, eine Bauweise, die mit wenig Pflegeaufwand eine Haltbarkeit hat, die in Richtung Ewigkeit tendiert. Voraussetzung ist, dass die Straße regelmäßig gepflegt wird. …
Ulf Lübs, aus Dorfzeitung Raducle
, Ausgabe 24 von 2017