Berno, Bischof von Mecklenburg, schenkte dem Kloster Doberan am 1. Februar 1177, nach einer später verfassten Urkunde, die Zehnten von dem Gebiete, mit welchem der Wendenfürst Pribislaw das Kloster ausgestattet hatte. Dem Abt verlieh er das Recht der freien Verfügung über die Kirchen innerhalb des Klostergebietes.
Zu diesen geistlichen Rechten gehörten das Patronatsrecht über die Kirchen, die Einsetzung der Priester, das Recht der Taufe und des Begräbnisses [MUB 122; 26]. Damit wurde zu Beginn des 13. Jahrhunderts die mecklenburgische Kirchenorganisation geschaffen, die neben ihrer eigentlichen Tätigkeit auch Verwaltungsaufgaben übernahm. Die später erbaute Kirche in Steffenshagen, zu deren Kirchspiel Reddelich und Brodhagen auch heute noch gehören, war eine der Patronatskirchen der Abtei Doberan. Als Vertreter der Pfarrgemeinden wurden Kirchenjuraten eingesetzt. Durch die Verbreitung des Christentums kam die Religion der Slawen zum Erliegen und ihre Assimilierung wurde entscheidend gefördert.
Ein Kommentar zur Reddelicher "Gründungsurkunde"
von Ulf Lübs:
Eine viel zitierte Quelle in unserer Region ist ein Meklenburgisches Urkundenbuch von 1863 [26]. In diesem Urkundenbuch ist die unterstehende Abschrift einer kircheninternen Urkunde aufgeführt. Dieses umstrittene Schriftstück gilt als erste Erwähnung Raducles (heute Reddelich) und das Jahr 1177 somit als Gründungsjahr Reddelichs.
Umstritten ist obige Urkunde, weil es sich beim Original um eine Abschrift handelt, die 1343, also 166 Jahre nach dem angeblichen Ausstellungsdatum, im Kirchenarchiv von einer angeblich verschollenen Urkunde angefertigt wurde. Beglaubigt wurde das Ganze durch kirchliche und weltliche Würdenträger – mit anderen Worten durch die Nutznießer der Ansprüche aus dieser Urkunde selbst. Auch wenn es sich bei dieser Kopie im ersten Augenschein um eine lapidare Steuererklärung handelt, über deren historischen Wert man getrost streiten darf, ist diese doch hoch brisant. Mit ihr wurden indirekte Besitzansprüche der Kirche an riesigen Ländereien zementiert, die dem Kloster angeblich vom letzten Wendenfürst geschenkt wurden.
Da die Kirche mit ihrem damaligen Monopol auf alle schriftlichen Dokumente, nachweislich nicht zimperlich, in der Uminterpretation historischer Unterlagen zu ihren Gunsten war, liegt der Verdacht nahe, dass es sich bei obiger Urkunde um eine schlichte Fälschung handelt. Die ganze Wahrheit über die damaligen Kabalen zur Beherrschung Mecklenburgs wird die Menschheit wohl nie erfahren. Sie ist im Grund auch nur von akademischer Bedeutung, denn mit der Reformation wurden die klerikalen Privilegien und Besitzansprüche ohnehin größtenteils zu Makulatur.
Mit großer Wahrscheinlichkeit können wir von einer Besiedelung des heutigen Gemeindeterritoriums weit vor der Christianisierung ausgehen. Die Herabwürdigung der slawischen Urbevölkerung zu primitiven, den deutschen Stämmen hoffnungslos unterlegenen Menschen niederer Klasse, gilt mittlerweile gemeinhin als widerlegt. Somit stellt sich die Frage:
Welche Bedeutung hat die Jahreszahl 1177 als Zeitmarke für unsere Gemeinde überhaupt?