Von Reinhold Griese (Recherche), Sven Morwinsky (Archivmaterial), Ulf Lübs (Text, Layout).
Die Gründung der Molkerei Reddelich ging 1887 von den Domänenpächtern Ahrens vom Hof Steffenshagen, vom Pächter von Hof Brodhagen und Dr. Wirts vom Hof Brusow aus, die damit einen großen, wirtschaftlichen Schritt zur Vermarktung ihrer Milch machten. Sie bauten in Reddelich eine moderne Molkerei.
Der Bauplatz wurde in einer Größe von 2581 m² von der Hufe II abgetreten. Ausschlaggebend für die Wahl Reddelichs als Molkereistandort war sicher die zentrale Lage im Einzugsgebiet. So hatten alle Domänen in etwa den gleichen Anfahrtsweg für die täglich zu liefernde Milch. Im Gegensatz zu heute, wo die Rohmilch durchaus 100 km oder mehr durch die Gegend gefahren wird, spielte die Transportentfernung damals eine große Rolle. Die Milch wurde mit Pferdefuhrwerken in Milchkannen transportiert und das ungekühlt, also Euterwarm. Da zählte jede Stunde bis zur Verarbeitung. Ältere Mitbürger werden noch wissen, wie schnell Rohmilch im Sommer zu dicker Milch wurde.
Am 10. Oktober 1889 wurde die Erzeugergemeinschaft in die Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht überführt. Basis dafür war das Deutsche Genossenschaftsgesetz vom 1. Mai 1889, das am 10. Oktober 1889 im gesamten Deutschen Reich in Kraft trat und im wesentlichen noch heute Bestand hat. Auch wenn Genossenschaften heute etwas in Misskredit geraten sind, sie bieten kommerziellen Interessengemeinschaften eine gute Plattform zur Kräftebündelung bei Lastenverteilung mit Risikominimierung durch Haftungsbeschränkung.
Nach und nach erkannten viele Bauern aus Reddelich und Umgebung die Vorteile zentraler Milchverarbeitung und wurden Mitglieder der Reddelicher Molkereigenossenschaft. Diese konnte die die Zahl ihrer Genossen permanent erhöhen. Dabei reichte das Spektrum der Genossen von damaligen Großbetrieben wie der Hof (Domäne) Brusow mit über sechzig Milchkühen bis zu Häuslern mit einer Milchkuh.
Die Genossen hatten sich strikten Regeln zu unterwerfen, die allerdings nicht als Schikane zu werten sind, sondern für einen effizienten Geschäftsbetrieb unerlässlich und damit im Interesse aller Genossen waren. So unterwarfen sie sich einem Lieferzwang und durften keine Milch, außerhalb des Eigenbedarfs, zurückhalten. Geliefert wurde täglich jeweils unmittelbar nach dem Melken. Gemolken wurden die Kühe, wie heute meist auch noch, zweimal am Tag. Für die zeitnahe Anlieferung hatte der Bauer zu sorgen. Für die großen Höfe war die Milchanlieferung kein Problem, sie hatten in der Regel fest angestellte Fuhrleute, die für alle anfallenden Transporte zuständig waren. Bei den kleinen Lieferanten war es, bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein üblich, Liefergemeinschaften zu bilden. Dabei stellten die Bauern ihre Milch in gekennzeichneten Kannen mit zwanzig Litern Fassungsvermögen auf Milchböcke, die bei jedem Milchkuhhalter an der Straße standen. Dort tauschten Milchfahrer die Kannen, nach einem festen Tourenplan aus – bei Wind und Wetter. Auch wenn heute keine Milchböcke mehr als solche genutzt werden, lebt der Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch weiter. Bahn- oder Busreisende äußern ihren Unmut über viele Zwischenstops noch heute oft mit: »Muss der aber auch an jedem Milchbock halten?«
Die Molkerei war nicht nur Betriebsstätte sondern auch Wohnstätte für Angestellte. Zur Volkszählung 1900 wohnten dort der Verwalter Friedrich Bastian (geb. 1867) mit seiner Ehefrau Dorothea (geb. 1870), den Töchtern Klara (geb. 1896) und Henni (1897), der Gehilfe Adolf Reincke (geb. 1873), der Lehrling Otto Prüter (geb. 1884) und das Dienstmädchen Marie Schröder (geb. 1885).